Potosi – das Silber des Teufels

Nach unserer Jeeptour ging es nach einer Übernachtung in Uyuni weiter nach Potosi, einer Stadt am Fuß des legendären, 4.800 Meter hohen Silberbergs Cerro Rico, dt. reicher Berg. Sie liegt auf 4.000 Meter Höhe, was uns immer noch zu schaffen machte, obwohl wir uns die letzten Tage immer zwischen 3.500 und 4.500 Meter aufgehalten hatten und eigentlich schon akklimatisiert sein müssten. Aufgrund der Höhe war es, obwohl Sommer, sehr kalt, die Temperaturen fielen nachts auf bis zu 5 Grad. Aber in unserem Hotel gab es einen Berg von, wenn auch kratzigen und etwas riechenden, Lamadecken. Damit ließ es sich aushalten.

Der Cerro Rico – der reiche Berg

Potosi war im 17. Jahrhundert die größte Siedlung Amerikas und aufgrund des Silbervorkommens unvorstellbar reich, reicher noch als Paris und Sevilla. Bis 1660 wurden von hier 17 Millionen Kilogramm Silber nach Spanien verschifft, was zeitweise die Hälfte der Staatsausgaben Spaniens abdeckte. Um den Reichtum in den Minen zu bergen mussten Hundertausende von Einheimischen unter unmenschlichen Bedingungen Zwangsarbeit leisten, Tausende kamen zu Tode.

Casa de la Moneda

Nach 1800 erschöpfte sich das Silber allmählich, stattdessen wurde Zink und Zinn das Hauptprodukt. Dies führte zu einem langsamen wirtschaftlichen Niedergang der Stadt. Doch noch heute schürfen die Mineros, die Bergleute, unter haarsträubenden Sicherheits- und Umweltbedingungen Silber, Zink und Zinn in Genossenschaften.

Maschine zum gewinnen und trennen der Erze

Die durchschnittliche Lebenserwartung eines Minero beträgt ca. 45 – 50 Jahre. Viele sterben an Staublunge oder bei Unfällen wie z.B. Explosionen. Aber auch der übermäßig hohe Konsum von Cocablättern, Nikotin und hochprozentigem Alkohol (96%), ohne den es die Mineros nicht aushalten können, trägt zu einem frühen Tod bei.

Verzehr von Kokablättern im Pfund-Bereich

Durch den frühen Tod der Familienväter sind viele Familien gezwungen ihre Söhne schon frühzeitig in die Minen zu schicken, um den Lebensunterhalt zu verdienen. Obwohl in Bolivien Kinderarbeit verboten ist, ist es durchaus nicht ungewöhnlich Kinder in den Minen anzutreffen. Angeblich arbeiten heute noch einige tausende Kinder in der Mine.

Straße in Potosi

Eine der Hauptattraktionen sind geführte Touren in verschiedene Stollen, die von ehemaligen Minenarbeitern durchgeführt werden. Sie kostet pro Person 150 Bolivianos, was nicht gerade wenig ist. Aber angeblich gehen hiervon 50 Bolivianos an bedürftige Minenarbeiter-Familien, was den Preis dann wieder relativiert.

Die Tour beginnt mit einer Fahrt zum Mercado dos mineros, wo wir Geschenke für die Bergarbeiter kaufen. Das sind z.B. Tüten mit Cocablättern, Getränke und Dynamitstangen (!) mit Zündschnur, die in Potosi frei verkäuflich sind.

Dynamit, Zünder, Ammoniumnitrat und 96% Alkohol! Sprengmeister was willst Du mehr?

Danach werden wir eingekleidet mit einem Overal, Gummistiefel, Helm und Stirnlampe.

Los mineros alemanes

Im Minibus winden wir uns dann über Schotterwege den Berg hinauf bis zu einem eher unscheinbaren Mineneingang.

Letzte Instruktionen vor dem betreten der Mine

Es geht auch gleich hinein in einen dunklen engen Tunnel, abgestützt mit furchigen Balken, den wir leicht gebückt entlanglaufen, bis wir auf ihn treffen: den Teufel! Der Teufel, das ist El Tio, der Onkel, eine gehörnte Lehmfigur bedeckt mit Kokablättern, Luftschlangen, Bierdosen und Limoflaschen.

Besuch bei „El Tio“

El Tio, das ist der Schutzpatron der Bergleute, Satan und Gott des Reichen Berges – Cerro Rico. Wir verstreuen Kokablätter und bitten darum, dass er uns wohlbehalten wieder aus der Mine entlässt. Nachdem wir El Tio mit 96prozentigem Alkohol bespritzt haben trinken wir den Rest selbst aus und verlassen El Tio, um in ein dunkles Labyrinth aus Gängen, Tunneln und Löchern zu kriechen, uns durch Felsspalten zu quetschen und über schmale Balken zu balancieren, immer darauf bedacht, ja nicht in eines der metertiefen Löcher im Boden zu fallen.

In der Mine geht es eng zu

Wir treffen auf einen Minenarbeiter, der am Ende eines engen Ganges in einer Vertiefung sitzt und an einem Sprengloch arbeitet. Wie kann ein Mensch hier arbeiten? Einsam in den Tiefen des Berges, als einziges Licht seine Stirnlampe, inmitten von Staub und Finsternis. Ein unvorstellbar trostloser und bedrückender Ort.

Der Minero bei seiner Arbeit

Wir überreichen unsere Geschenke und der Minero besteht darauf, das wir ihn fotografieren. Die Stelle ist so eng, dass wir in der Hocke den Erklärungen unseres Guides folgen müssen. Die Sprengung erfolgt per Hand, die Zündschnur wird angezündet und es verbleiben noch 5-10 Minuten, um sich in Sicherheit zu bringen. Gott sei Dank war das Sprengloch noch nicht fertig, als wir den Minero wieder verlassen haben.

Primitivstes Werkzeug

Nach ca. 2 Stunden verlassen wir die Mine wieder, glücklich, das El Tio gnädig mit uns war und uns gehen ließ. Wir freuen uns wieder in der realen Welt zu sein und verlassen den Berg nachdenklich in Richtung Stadt. Was haben wir doch für ein Glück in einem Land geboren zu sein, in dem Wohlstand herrscht und wir nicht unter solchen Bedingungen leben müssen.

Glückliche Minenbesucher zurück im Tageslicht
Blick auf Potosi

Wir verbringen die restliche Zeit im Zentrum von Potosí, welches durchgehend im Kolonialstil gehalten ist und fast vollständig aus dem 17. und 18. Jahrhundert stammt. Die Bauten, die zu den aufwändigsten und prächtigsten der Welt zählen, werden nach wie vor gut instand gehalten und sind neben der Mine eine der größten Touristenattraktionen der Stadt. Empehlenswert ist auch ein Besuch des Casa de la Moneda (das Königliche Schatzhaus), eine ehemalige Münzprägeanstalt, die heute als Museum besichtigt werden kann. Leider sind die Führungen nur in spanisch – Führungen auf Englisch erordern ein Mindestanzahl an Personen und müssen „bestellt“ werden – ein bisschen konnten wir aber mit unseren Portugiesisch-Kenntnissen verstehen.

Wer sich einen Eindruck von den Minen in Potosi verschaffen will, dem sei nachfolgender Film empfohlen (ca. 15 Minuten). Er ist zwar schon 20 Jahre alt, aber es hat sich nichts, aber auch gar nichts verändert: Potosí, Bolivien – SWR Fernsehen